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Warum Rituale besonders derzeit so wichtig sind

Die ersten Türchen vom Adventskalender sind geöffnet, die erste Kerze am Adventskranz brennt und schon sind wir mittendrin im Advent. „Ging jetzt irgendwie doch schnell“, ein Gedanke, der Dir jedes Jahr aufs Neue zu dieser Jahreszeit durch den Kopf geht, oder? 

 

Eigentlich ist alles gleich wie immer, wenn… ja, wenn... Schon komisch, oder? Da gestalten wir die Adventszeit zu Hause gleich wie in den Jahren zuvor und draußen in der Welt geht es gefühlt drunter und drüber. Da ist es manchmal gar nicht so einfach, mit dem eigenen Gefühlsleben klar zu kommen. Manchmal kommt noch ein schlechtes Gewissen dazu, verbunden mit der Frage „Dürfen wir das denn überhaupt?“ … unsere Vorweihnachtszeit so gestalten wie immer? Dürfen wir uns überhaupt freuen, wenn in der Welt so viel Leid ist, das manchmal nur dadurch zu ertragen ist, dass wir die Nachrichten abschalten? Dürfen wir es uns in unserem Zuhause so behaglich einrichten, damit wir ein Nest in dieser derzeit gefühlt so instabilen Welt haben?

  

Die Antwort findest Du vielleicht in einer ganz anderen Frage:  Was wäre denn besser für Dich und Deine Familie, wenn Du es nicht tun würdest? Würde dies die Welt zu einem Besseren verändern? Würde es Deinen Kindern besser gehen, wenn wir ihnen nicht auch dieses Jahr diese geborgen-heimelige Adventsstimmung schenken würden? Würde es Dir besser gehen, wenn Du Deinen gewohnten Weihnachtsvorbereitungen nicht nachgehen würdest? 

 

Oder trägst Du vielleicht sogar einen Teil zu einem Besseren bei, eben weil Du ein Stück Normalität in die Welt setzt? Eben weil Du Dir und Deinen Kindern damit vermittelst, dass es mehr gibt als Leid in der Welt. Eben weil Du Dich und Deine Familie damit emotional stabilisierst und somit vielleicht auch noch einen Blick für den Nächsten außerhalb Deiner Familie haben kannst. Eben weil wir mit unserem Verhalten uns mit anderen gleichgesinnten Menschen zusammentun können und somit eine Positivspirale wieder in Gang setzen können, die wiederum andere Menschen mitnimmt. Es gibt Dinge, die vermehren sich ja bekanntlich, wenn man sie teilt.

 

Also lass uns genau das heute mal machen. Lass uns mal schauen, wo wir Licht ins Dunkel bringen können, wo wir an Gewohnheiten anknüpfen können, wo wir uns trotz allem einen Alltag einrichten können, in dem es uns gutgeht, in dem wir immer wieder Kraft schöpfen können, in dem wir uns erholen können, in dem wir uns körperliche Zuwendung schenken können, in dem wir Gemeinschaft, Zusammen- und Zugehörigkeit immer wieder aufs Neue erfahren können. 

 

Etwas, das uns allen längst bekannt ist und das wir meist ganz unbewusst immer wieder in unserem Alltag leben, sind Rituale. Rituale sind wie heilige Räume, wie Zentren, in denen wir Ruhe erfahren können, auch wenn um uns herum das Leben wirbelt. Weil sie uns vertraut sind, weil sie uns guttun, weil sie das Leben zu bestimmten Zeiten vorhersehbar machen. Rituale vereinfachen unser Leben, denn sie vermitteln uns Sicherheit, Orientierung, Halt und Vertrauen und darüber hinaus tragen sie übrigens auch dazu bei, Krisen zu bewältigen. Wenn Du mal so drüber nachdenkst, kannst Du feststellen, dass selbst unser gesellschaftliches Miteinander voller Rituale ist – und so auch alle Kulturen der Weltgeschichte entstanden sind. Wie wir Geburtstag feiern, unseren Glauben leben, unsere gesellschaftlichen Werte vertreten, uns im Alltag begegnen, all das sind Rituale. Bei der Begrüßung Hände schütteln, Nasen reiben, Schulter klopfen, umarmen, verbeugen, zuwinken, lächeln, … sind doch alles Rituale, oder?

 

Und in unserem Familienalltag ist es ebenso. Gerade unsere Kinder lieben Rituale ganz besonders. Von den allerkleinsten Wesen, die immer auf die gleiche Weise in den Schlaf gebracht werden wollen, bis zu unseren jugendlichen Kindern, die so cool sie auch sonst sein mögen manchmal plötzlich so seltsam-sentimentale Anwandlungen haben (ganz heimlich versteht sich) und bei Neuerungen protestieren, weil „wir das doch schon immer so gemacht haben“. Und komm, sei ehrlich, auch wir Erwachsene lieben es, wenn wir uns hin und wieder diesen vertrauten Gewohnheiten hingeben und unsere Seele einfach mal wieder auftanken kann. 

 

Und dazu eignet sich so eine gefühlvolle Adventszeit ganz besonders. Wir alle haben jede Menge liebgewordene Rituale und meist sogar mehr, als wir in dieser Zeit unterbringen können. Und wenn dieses Jahr schon so viel anders ist, könntest Du doch genau dies genau jetzt einmal für Dich nutzen, indem Du bewusst durch diese Wochen gehst und nur das behältst, was Dir und Deiner Familie guttut. Und wenn es ein Ritual ist, das Euch Stress oder Zeitdruck macht, lass es weg. Ganz bewusst. Ganz achtsam. Weniger ist oft mehr und gib dem Wichtigen, das Euch guttut, das Euch zusammenschweißt, das Euch miteinander ins Gespräch bringt, das Euch einander (wieder) näherbringt, mehr Raum. 

 

Lasst Euch Plätzchen von der Oma schenken und nehmt Euch dafür mehr Zeit fürs Lesen. Lass das Lesen, wenn Ihr mehr Freude am gemeinsamen Spielen habt. Lasst das Spielen, wenn dafür jeder lieber auch mal Zeit mit sich selbst verbringt. Oder vielleicht wollen zwei von Euch miteinander basteln, während die anderen sich die Lieblingssendung im Fernsehen anschauen wollen. Oder Ihr packt hin und wieder mal die Musikinstrumente aus. Vielleicht passt es aber auch gerade nach einem langen Arbeitstag abends einfach mal 10 Minuten vor dem Adventskranz zusammenkommen, Kakao und Cappuccino zu trinken und eine Geschichte zu lesen oder sich gegenseitig von den Erlebnissen des Tages zu erzählen. 

 

Wenn wir unsere Seele auftanken lassen, dann durchbrechen wir den Problemfokus fast schon ganz nebenbei auf wundervoll-einfache Art. Dann richten wir unseren Blick wieder auf das Mögliche, auf das Gesunde, auf das Dankbare, auf das Wichtige. Auf das, was im Leben wirklich zählt und warum es sich so unwahrscheinlich lohnt, Mensch zu sein und mitmenschlich und mitfühlend zu handeln. Und das ist das Wertvollste, was wir derzeit für uns selbst, unsere Familie, die Menschen um uns herum und die Welt tun können. 

 

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende,

Deine Corinna 

 

 

P.S.: und wo wir schon bei Ritualen sind… 

 

Heute ist übrigens Barbara-Tag. Namenstage werden ja gerade bei uns im Rheinland bewusst gefeiert, das durfte ich auch lernen, als wir hierhin gezogen sind. Danke dafür, Ihr Rheinländer, ein wirklich schöner Brauch! 

Und vielleicht hast Du ja Lust, ganz nach der Geschichte der heiligen Barbara, heute von draußen einen Kirsch- oder Forsythien- Zweig in die Wohnung zu holen und bis Weihnachten in eine mit Wasser befüllte Vase zu stellen. Denn auch, wenn Dinge noch nicht sichtbar sind, gibt es dennoch Leben darin. Und so wird sich auch dieser kahle Ast in ein paar Wochen auf wunderbare Weise verwandeln... Und ich wünsche Dir viel Freude, ihm bei dieser Verwandlung zuzusehen!

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