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Man soll die Feste feiern, wie sie fallen – Teil 2

Gestern war beispielsweise wieder so eine Gelegenheit und nachdem wir letzten Sonntag Muttertag feierten, waren am Christi-Himmelfahrts-Donnerstag die Väter dran. Ich kann mich täuschen, aber mir kommt es so vor, als ob der Vatertag irgendwie einen anderen Touch hat als der Muttertag. Irgendwie wie so „ein kleiner Muttertag“, frei nach dem Motto „wenn den Müttern schon ein ganz besonderer Tag zusteht, dann machen wir als Ausgleich noch einen Vatertag dazu“. Dann kommt jeder zu seinem Recht. 

 

Ähnlich dem, wie Familienorganisation gesellschaftlich oft gesehen wird – und in vielen Familien ja auch so stattfindet: die Mutter trägt die Hauptlast in der Alltagsorganisation einer Familie und des dazugehörenden Haushalts und wenn sie ganz viel Glück hat, gibt es auch einen Vater und Mann, der sie glücklicherweise darin unterstützt. 

 

Versteh mich nicht falsch, das soll keineswegs wertend gemeint sein, denn Familienformen gibt es in allen Varianten. Wir dürfen nur im Hinterkopf behalten, dass diese beschriebene Familienorganisation auf einem traditionellen Familienmodell beruht, in dem der Mann berufstätig ist und die Frau die Familienarbeit innehat. Meist wird dieses Modell aber nur noch zu bestimmten Phasen so gelebt, meist am Anfang der Familiengründung. Außerhalb dieser Phasen tun wir daher im Sinne einer wertschätzenden Partnerschaft gut daran, unsere Alltagsorganisation partnerschaftlich miteinander zu leben. 

 

Denn so wie der Muttertag mehr als Schokolade und Blumen sein sollte, ist der Vatertag zum Glück mittlerweile auch mehr, als „der kleine Muttertag“ und mehr als eine Männertour mit all ihren Ausschweifungen. So wie Väter so viel Bedeutender und Wichtiger für ihre Familie und ihre Kinder sind, als sie manchmal in der Öffentlichkeit oder auch manchmal vielleicht von uns Müttern wahrgenommen werden.

 

Sowohl in einer Familie selbst – unabhängig vom Geschlecht der Kinder – als auch gesamtgesellschaftlich brauchen wir „die Väter“ genauso sehr wie „die Mütter“! Und zwar genau so wie sie sind. In ihren ganz eigenen Qualitäten als Mann und Papa. Mit all ihren Ecken und Kanten, mit ihren Stärken und Eigenschaften, ihren Sicht- und Verhaltensweisen.

 

Eigentlich hätte ich diesen Artikel heute gar nicht schreiben dürfen, weil ich ja gar kein Papa bin. Leider bin ich zu spät auf die Idee gekommen, meinen Mann oder einen anderen Papa als Gastautor um einen Artikel zu bitten. Das werde ich dann nächstes Jahr machen und solltest Du Dich jetzt angesprochen fühlen, dann gehört dieser Platz schon heute Dir und Deinen Gedanken. First come, first serve, ich freue ich mich also alsbald von Dir zu hören! 

 

Die heutigen Zeilen darfst Du daher auch „nur“ aus Sicht einer Frau und Mama lesen, womit sie natürlich höchst subjektiv sind. Dennoch möchte ich Dir heute einige Erkenntnisse aus meiner psychologischen Praxis und meinen eigenen ganz persönlichen Erfahrungen mitteilen. Denn ein gelingendes Miteinander in einer Familie ist letztlich nur durch gegenseitige Ergänzung möglich. Nicht umsonst zeichnen sich die erfolgreichsten Teams in der Arbeitswelt durch möglichst sich ergänzende Diversität aus.

 

Besonders im erzieherischen Alltag haben wir ja manchmal den Drang, von unserem Partner das gleiche Verhalten zu verlangen, das wir selbst an den Tag legen. Und nicht selten wird ja Paaren geraten, an einem Strang zu ziehen und sich in Erziehungsfragen einig zu sein. Im Großen und Ganzen ist das auch vollkommen richtig, denn die Familie lebt ja als Gesamtsystem unter einem Dach und daher sollten so ganz grundsätzlich Regeln und Werte unabhängig von den handelnden Personen wiederzuerkennen sein. Trotzdem gibt es manchmal kleine und große Unterschiede in elterlichen Vorgehens- und Verhaltensweisen und dies nicht nur als akzeptabel, sondern vielleicht sogar wünschenswert wahrzunehmen, wäre so manches Mal der Gamechanger schlechthin.

 

In einer Familie und in der Elternschaft ist es wie in jeder guten Führungsebene: es braucht ein sich ergänzendes Team und in keinem Unternehmen der Welt bekleidet eine Person alle Positionen und Funktionen allein. Ein gewinnbringender Gedanke dabei ist, sich in seiner gemeinsamen Elternschaft einander Sparringspartner zu sein, wer mit welchen Fähigkeiten in welchem Ausmaß zu einer gelingenden Situation beitragen kann. 

 

Sparring leitet sich vom englischen Ausdruck „to spare with someone“ ab, was so viel bedeutet wie „sich mit jemandem auseinandersetzen“. Frei nach dem Religionsphilosophen Martin Buber „Der Mensch wird am Du zum Ich“ geht es also darum, sich im Miteinander weiterzuentwickeln, seine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten zu erkennen und diese für ein gelingendes Miteinander einzusetzen. Jeder auf seine ganz eigene Weise jeweils als Mama und Papa. 

 

In jedem Menschen gibt es männliche und weibliche Anteile, in jedem „väterliche“ und „mütterliche“. Das ist wie bei einer Gitarre, die ja auch aus mehreren Saiten besteht. Und auf jeder Seite kann man unterschiedliche Töne zum Klingen bringen. Natürlich kannst Du auch nur auf einer einzigen Saite zupfen, das bringt auch einzelne Töne zum Klingen. Aber eben nur jeweils einen und auch der Tonumfang (also der jeweils tiefste bis höchste) ist begrenzter. Wenn Du aber ein wohlerklingendes Lied mit gleichzeitiger Begleitung spielen möchtest, musst Du alle Saiten zum Klingen bringen. 

 

Und so ist es eben auch in einer Familie: damit es lebendig und bunt ist, brauchen wir alle Anteile – auch die, an denen wir uns manchmal im Miteinander reiben. Dadurch ergänzen wir uns und erweitern gleichzeitig unser eigenes Verhaltensrepertoire, hinterfragen uns manchmal selbst und lernen mit der Zeit auch das zu schätzen, was wir in unserer jeweiligen Elternrolle zum gemeinsamen Familienleben beitragen. Denn nur zusammen gibt es ein gelingendes Ganzes oder noch einen Schritt weiter könnte man wiedermal Aristoteles und die Gestaltpsychologen zitieren mit „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.

 

Und sind es nicht zuletzt unsere (Enkel-)Kinder, die in uns Saiten zum Klingen bringen, von denen wir vorher noch nicht einmal wussten, dass es sie in uns gibt? Ich würde sogar fast behaupten, dass die größere Transformation oder Veränderung im Menschsein die Männer durchlaufen. Denn hast Du jemals zuvor diese Zärtlichkeit, diese Verliebtheit, dieses Feinfühlige im Blick eines Mannes gesehen, als er zum ersten Mal sein kleines Baby in seinem Arm gehalten hat? In Momenten wie diesen findet die wahre Begegnung zwischen zwei Menschen statt. Es ist dieses Band des bloßen Seins, das Eltern und Kinder für immer miteinander verbindet und das uns unsere Kinder ein Leben lang im Herzen tragen lässt. 

 

Hab ein schönes Wochenende, herzliche Grüße,

Deine Corinna   

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