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Wohin des Wegs?

 

Aus aktuellem Grund geht’s heute um das Thema "Paar-Sein gestalten". Wenn Du derzeit in einer Partnerschaft/ Beziehung/ Ehe lebst, wirst Du darüber bestimmt einiges zu berichten haben. Doch wenn´s nicht gerade gute Freunde oder Familie sind, spricht man ja meist eher weniger über seine eigene Beziehung mit ihren Sonnen- und Schattenseiten, die ja ganz normal - und ob wir es wollen oder nicht – auch notwendig sind. 

 

In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang auch vom sog. „Kontrasteffekt“, der im Großen und Ganzen besagt, dass wir nur dann die guten Tage wahrnehmen und schätzen können, wenn wir wissen, wie sich schlechte Tage anfühlen. Deswegen sind sie so notwendig. Das ist insofern gut zu wissen, weil wir ja immer bemüht sind, so viele schöne Tage wie nur möglich zu haben – was in der Regel ja für beide Partner auch sehr erstrebens- und wünschenswert ist. Aber es gibt eben auch Phasen in jeder Beziehung, in denen es auch mal nicht so rund läuft, wie wir das gerne hätten. Wenn wir dann in hektische Betriebsamkeit verfallen, uns vor dem anderen zunehmend verschließen oder wir geneigt sind, uns zermürbende Fragen zu stellen, führt das meist eher zu neuen oder weiteren Spannungen statt zurück zu den „sunny days“. Daher wäre es ja mal ein spannendes Experiment, beim nächsten Mal, wenn Du wieder dunkle Wolken am Himmel aufziehen siehst, an diesen Kontrasteffekt zu denken. Vielleicht gibt Dir das dieses Mal genau jene innere Gelassenheit, die Du benötigen könntest, um diese Phase gut zu überstehen oder mit Deinem/r Partner/in konstruktive Lösungen zu finden. Dann ist das Krampfhafte „eigentlich müsste doch…“ weg und es entsteht eine Stimmung, aus der ein gutes Miteinander wieder hervorgehen kann.

 

Dennoch gibt es in jeder Beziehung genügend Herausforderungen, die einen ins Straucheln bringen können. Nicht umsonst betitelte der deutsch-österreichische Psychologe, Theologe und Paartherapeut Hans Jellouschek eins seiner Bücher mit „Die Kunst, als Paar zu leben“. Besonders schön fand ich seinen Impuls darin, sich seine Beziehung einmal wie ein Kunstwerk vorzustellen, das zwei Menschen miteinander gestalten wollen. Gerade zu Beginn einer Beziehung haben beide Vorstellungen, Ideen und Visionen, wie sie mit genau diesem Partner glücklich leben wollen, was sie erleben und vielleicht unter welchen Werten und Bedingungen sie ihre gemeinsame Zukunft gestalten und aufbauen wollen. 

 

Im Laufe der Jahre, wenn sich der Alltag immer mehr eingeschlichen hat, rückt diese „Anfangsvision“ aber immer mehr aus dem Blick, weil wir in unseren Aufgaben aufgehen (und manchmal uns auch an diesen aufreiben), wir meinen den anderen sowieso schon gut genug zu kennen und sich vielleicht auch ein gewisser Abriebeffekt breit gemacht hat. Und so nehmen wir es nicht selten als Selbstverständlichkeit, dass der andere „eh da“ ist, wir uns also gar nicht mehr so sehr um ihn bemühen müssen/ wollen oder uns die anfangs so interessanten Ecken und Kanten mit den Jahren mal mehr mal weniger auf die Nerven gehen. 

 

Und genau in diesen Situationen oder Zeiten, in denen die Sonne mal nicht so scheint, tun wir gut daran, statt immer nur den anderen ändern zu wollen, sich gemeinsam immer wieder an diese Anfangsvision zu erinnern und sie im Dickicht des Alltags immer wieder durchblitzen zu lassen, um nicht die Richtung zu verlieren – oder sie vielleicht auch neu zu justieren. In der Paartherapie ist es für das ein oder andere Paar manchmal ein Schlüsselelement, wenn ich meine Klienten danach frage, warum sie sich damals überhaupt ineinander verliebt haben, was sie so am anderen interessiert hat und weshalb sie sich so zueinander hingezogen gefühlt haben. Um diese Frage zu beantworten, brauchst Du übrigens nicht unbedingt eine Praxis aufzusuchen, die kannst Du Dir auch einfach mal selbst in Ruhe beantworten. Und vielleicht gewinnst Du dadurch wieder einen ganzheitlicheren Blick auf Deine/n Partner/in und es werden wieder Energien in Dir geweckt, die Du in dieser Form schon länger nicht mehr gespürt hast. 

 

Um ein Kunstwerk zu gestalten, reicht eine Idee allein aber noch nicht aus. Wie oft sind wir in unserem Leben schon irgendwelchen Träumen nachgehangen, wobei wir aber in der Möglichkeitsform stecken geblieben sind und keine Ahnung hatten, wie wir diese Idee jemals auch nur ansatzweise hätten umsetzen können. Um ein Kunstwerk entstehen zu lassen, braucht es zusätzlich auch das richtige Handwerkszeug und das entsprechende Können, also Fähigkeiten und Kompetenzen, um ins Handeln zu kommen und so diese Vision Wirklichkeit werden so lassen. Und auch wenn das irgendwann - oder zumindest zeitweise - fertige Produkt nicht komplett unseren allerbesten Vorstellungen entspricht, so können wir dennoch stolz auf unser Kunstwerk sein und dass wir uns von unserer Vision haben leiten lassen. Denn ein Schaffensprozess ist immer unterlegt von Versuch und Irrtum, von vielem Dazulernen, von Sammeln von Erfahrungen, Korrekturen und neuen Anläufen, nicht Aufgeben und der Ernsthaftigkeit, dieses Kunstwerk weiter entstehen lassen zu wollen. Wenn die Mehrheit von uns auch nicht gerade als begnadete Künstler geboren worden ist, so können wir dennoch in die Lehre des Lebens eintauchen und uns im Laufe der Zeit zu solchen entwickeln. 

 

Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt in erstaunte Augen von Dir blicken werde, möchte ich Dir dennoch den heutigen Impuls mitgeben: Wie wäre es denn, wenn Du Dir heute einfach mal überlegst, mit welcher ein oder anderen winzigen Kleinigkeit Du Euer Kunstwerk bereichern möchtest. Ich bin sicher, dass Dir etwas einfällt, um es Deinem/r Partner/in jetzt gerade mit Dir zusammen gutgehen zu lassen. Nein, sag jetzt nicht „Corinna, weißt Du eigentlich, was ICH alles tue? Was soll ich denn noch alles machen?“. Denn meist spricht ja aus dieser Art von Aufschrei eine unglaubliche Aufgabenvielfalt, ein eng getakteter Alltag, ein absolut maßgeschneidertes Funktionieren. Was ich meine ist eher ein Wimpernschlag von Insel im Alltag, das kurze Drücken einer Pausetaste, eine kleine Oase, ein gemeinsames sich-ausklinken. Bei einer Tasse Kaffee oder Tee, durch ein interessiertes Zuhören, wenn Dein Partner Dir etwas erzählt (Du musst ja deswegen nicht gleich zustimmen - nur zuhören, um zu verstehen), eine liebevolle Geste, ein kleines Mitbringsel, ein einfaches Beieinandersitzen, ein gemeinsamer Spaziergang, was auch immer. Einfach nur, um dem anderen zu zeigen, dass er Dir wichtig ist. Dass Du immer noch gern mit ihm zusammen bist. Dass Du ihn liebst. Denn um die Liebe in einer Paarbeziehung auf Dauer lebendig zu halten, braucht es immer wieder solche freien Zeiten, die Du ausschließlich mit Deine/m Partner/in verbringst. 

 

Und achte auch mal drauf, mit welchen Gesten oder Worten er/sie Dir seine Liebe zeigt. Manchmal ist das nämlich nicht gleich erkennbar, besonders wenn Ihr beide auf „unterschiedlichen Frequenzen sendet und empfangt“. Wenn Du hierzu mehr Input haben möchtest, kann ich Dir das Buch „Die fünf Sprachen der Liebe“ von Gary Chapman nur empfehlen. Ein genaues Hinsehen und -hören im Alltag sowie ein immer wieder stattfindender Austausch zwischen Euch kann Dir jedenfalls tatsächlich manchmal ganze Welten neu erschließen. Denn letztlich sind es oft die ganz kleinen Veränderungen, die zu großen Stimmungsumschwüngen im Zusammenleben führen. Und das ist ja das Schöne, dass die ganz kleinen Veränderungen viel schneller im Alltag umsetzbar sind als die „ganz großen Würfe“. Also, worauf wartest Du noch? Fang an…!

 

Herzliche Grüße,

Deine Corinna

 

 

P.S.: Ich bin Dir noch den „aktuellen Grund“ schuldig… während ich diesen Text schreibe, sind wir auf dem Weg zu meinen Eltern, denn sie feiern dieses Wochenende „Goldene Hochzeit“ 

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