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Herbstzeit ist Dankeszeit...

... denn Herbstzeit ist Erntezeit. Die meisten Felder sind mittlerweile abgeerntet und wer im eigenen Garten Obst oder Gemüse angebaut hat, wird sicherlich damit schon gekocht, aufgetischt, eingemacht oder entsaftet haben. Für uns in unseren Breitengraden ist es häufig ganz selbstverständlich, dass wir genug zu essen haben und der Tisch, der Kühlschrank und die Supermarktregale stets gut gefüllt sind. Und in unserem Alltag tendieren wir auch nur allzu oft dazu, es als ganz selbstverständlich zu erachten, dass wir eine/n Partner/in an unserer Seite, Kinder, Familie und Freunde in unserem Leben haben oder unserer Arbeit nachgehen.

 

Heute möchte ich Dich gerne einmal dazu einladen, einfach mal einen kleinen Moment inne zu halten. Denn eigentlich ist nichts selbstverständlich auf dieser Welt. Es ist wunderschön, Menschen, Erlebnisse oder Dinge, die wir lieben und mit denen es uns gut geht, in unserem Leben zu haben. Aber selbstverständlich ist das keineswegs. Warum dieser Gedanke so wichtig ist, auch wenn Du vielleicht gerade denkst, dass Du das bereits weisst, dazu komme ich gleich. Denn wie oft ist es doch so, dass wir total genervt von diesem oder jener sind, wir uns morgens zur Arbeit aufraffen, uns Verhaltensweisen des anderen auf die Palme bringen könnten, wir lustlos im Essen rumstochern, viel zu viel einkaufen, um dann die Hälfte wieder zu entsorgen oder schon am frühen Morgen mit Grauen an den kommenden Tag und seine vielen Aufgaben denken. Ich könnte noch dutzend andere Beispiele aufzählen, aber ich denke, Du weisst was ich meine und Dir fallen höchstwahrscheinlich selbst genügend Begebenheiten aus Deinem eigenen Leben ein. 

 

Doch: im Grunde genommen könnten wir jeden Tag aufs Neue dankbar sein. "Wofür?" wirst Du Dich vielleicht jetzt fragen, wofür solltest Du im Moment und unter diesen Bedingungen denn Bitteschön dankbar sein, schließlich könntest Du gerade tausende Dinge aufzählen, die Dir gehörig gegen den Strich gehen oder die Dich belasten, mit denen Du haderst oder eventuell gab es auch schon den ein oder anderen Schicksalsschlag in Deinem Leben, mit dem Du zurechtkommen musst. Und ja, damit bist Du keinesfalls allein: unter uns systemischen Familientherapeuten gibt es diesen augenzwinkernden Satz "Unter jedem Dach ein Ach" und ich kann dies nach nun ziemlich genau  20 Jahren Berufserfahrung nur bestätigen. Begebenheiten und Tatsachen können wir nicht verändern. Aber wir können unseren Blick darauf verändern - und interessanterweise verändern sich dann nicht nur unsere Einstellung und unsere Gefühle gegenüber diesen vielen "Aufregern", sondern manchmal lösen sich diese sogar ganz auf. Denn oft werden Dinge, Begebenheiten oder Menschen für uns erst durch unsere eigene Sicht und Wahrnehmung zum Problem. 

 

Lass uns also noch einmal zu dem Gedanken zurückkommen, dass nichts selbstverständlich in unserem Leben ist. Wenn dem so wäre, dann könnten wir doch all die guten Erlebnisse in unserem Leben, die es ja trotz allem auch gibt, einfach mal als Geschenk betrachten. Ja, unsere Kinder treiben uns manchmal wirklich an unsere Grenzen, aber was wäre denn, wenn es sie plötzlich nicht mehr gäbe? Ja, unsere Eltern machen manchmal ganz unverständliche Dinge, aber egal wie sie sind, sie haben uns unser Leben geschenkt. Ja, unser/e Partner/in nervt mit seinen/ihren Eigenheiten manchmal ungemein, aber wann hast eigentlich Du ihm/ ihr das letzte Mal liebevolle Wertschätzung entgegengebracht oder Dir einfach mal bewusst Zeit für ihn/ sie genommen? Vielleicht ist es nicht Dein Traumjob, aber immerhin gibt er Dir derzeit die Möglichkeit, Dein Leben zu finanzieren. Ja, der Alltag frisst uns manchmal mit all seinen Erfordernissen und Terminen auf, aber er gibt uns Struktur, die Erfahrung der Eingebundenheit im Leben und darüber hinaus haben wir selbstverständlich die Freiheit darüber nachzudenken, wieviel wir in unserem Alltag zulassen wollen: Wo setze ich Grenzen? Wo Prioritäten.

 

Einfach mal innehalten und sich auf das Wesentliche besinnen. Darauf, dass nichts selbstverständlich ist auf dieser Welt. Darauf, dass wir alle voneinander abhängig sind. Darauf, dass es uns trotz allem eigentlich so gut geht - wenn wir es denn sehen wollen... denn oft es ist nur eine kleine Veränderung des Blickwinkels oder manchmal der Blick durch eine andere/ neue Brille. Daher lade ich Dich jetzt ein, einen kurzen Moment durch die Brille der Dankbarkeit zu sehen...

 

Wir können so dankbar sein, dass wir unser Leben geschenkt bekommen haben. Für die Kinder, die in unser Leben gekommen sind und durch die wir erst zur Mutter/ zum Vater geworden sind. Für unsere/n PartnerIn, für den wir uns aus Liebe entschieden haben (auch wenn diese sich im Leben immer wieder verändern mag), für unsere Freunde, die sich manchmal genau im richtigsten Zeitpunkt wieder melden, für unsere große Vielfalt an Nahrungsmitteln, die wir genießen dürfen und die durch mannigfaltige Hände gehen, bevor sie bei uns auf dem Tisch stehen. Danke daher an die Bäuerinnen, die LastwagenfahrerInnen, die PilotInnen, die KapitänInnen, die KassiererInnen und noch so vielen mehr, die in dieser Kette so notwendig sind, damit wir - Du - ich zu essen und zu trinken haben. Danke an die Sonnenstrahlen, den Regen, das fruchtbare Land, unseren Schöpfer und für die gesamte Schöpfung, die all das hervorgebracht hat, durch die wir leben dürfen und die wir durchaus achtsamer behandeln könnten und so dringend sollten... 

 

Sag heute einfach mal wieder ganz bewusst "danke" zu all dem, was Dir Gutes im Leben begegnet. Mach es in GeDANKEn oder in Worten, ganz wie es Deiner Meinung nach gerade passt. Heute ganz bewusst. Und immer wieder. Betrachte heute (von mir aus auch nur heute!) das Leben, jede noch so kleine Begebenheit, durch die Brille der Dankbarkeit. Achte mal darauf, was sich verändert, wenn Du dies einfach mal ganz bewusst tust. Achte beispielsweise mal darauf, was Du für eine Reaktion von Deinen Mitmenschen bekommst, wenn Du selbst für eine klitzekleine Kleinigkeit "Danke" sagst. Manchmal sind die Menschen einfach perplex. weil es in deren Augen doch "selbstverständlich" ist. Nein, ist es nicht. Nichts ist selbstverständlich und es macht einen Unterschied, Menschen, Erfahrungen und Dinge zu würdigen. Bei Dir. Beim Gegenüber. In Eurem Miteinander. Achte beispielsweise mal darauf, ob es für Dich einen Unterschied macht, wenn Du Dankbarkeit in einer Situation fühlst. Achte mal darauf, was sich dadurch für Dich in Deiner Gefühlswelt verändert. Dankbar für all die Nahrungsmittel zu sein, die heute bei Euch auf dem Tisch stehen oder auch dankbar zu sein für all die Menschen, die Dir Gutes tun (interessant, wie häufig Kinder ihre bedingungslose Liebe uns im Alltag zeigen, ohne dass wir es überhaupt bemerken). Und wenn Du merkst, dass Dir das gut von der Hand geht, könntest Du Dich auch mal an die Meisterklasse wagen: für welche herausfordernde Situation in Deiner Vergangenheit bist Du dankbar, dass es sie in Deinem Leben gegeben hat, weil Du sonst nicht der Mensch wärst, der Du heute bist. Das erfordert Mut, Zeit und viele GeDANKEngänge, aber es lohnt sich, versprochen!

 

Denn letztlich können wir nur im Miteinander wachsen. Im Gegenüber, das manchmal so gänzlich anders ist als  wir oder das, was wir uns wünschen würden. Nur in dem wir unsere eigenen Grenzen erfahren, können wir diese immer wieder erweitern. Wenn es uns gelingt, uns auf das Leben in seiner Gänze mit all seinen Facetten einzulassen und für all unsere Erfahrungen dankbar zu sein, haben wir die große Chance, zu wohlwollenden, wertschätzenden und empathischen Menschen zu werden. Wenn wir es denn wollen. Und dafür können wir dann wiederum mehr als dankbar sein. 

 

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